NUSK 64
- Kralitz
Wie die inhaltlich verschiedenartige Produktion (z. B. der Dialog des katholischen Pamphletisten Pěčka) zeigt, stellte die Werkstatt, deren Name von der Ortschaft Kralitz (Kralice nad Oslavou) abgeleitet wird, kein institutionelles Zentrum der Brüderunität dar, sondern sie verkörperte ein kommerzielles Gewerbe, das Bucheinbände unter anderem auch für Mitglieder oder Sympathisanten dieser religiösen Gruppe besorgte. Im Unterschied zur Ansicht von Ivan Vávra konzentrieren wir in die Kralitzer Werkstatt spezifisch verzierte Bucheinbände, deren Spiegel nicht mehr von den standardmäßigen Rollenbändern umrahmt sind. An ihrer Stelle wird eine einfache elegante Linie (eine feine Kette) angewandt, die nur durch einen kleinen Blumenstempel (Fleuron) ergänzt wird, der diagonal zur Eckpartie eingesetzt ist. Die Dominante beider Deckel wird von einer ovalen Platte mit ornamentaler oder biblischer Füllung gebildet. Dieses moderne, effektvolle und dabei relativ preiswerte (da weniger mühevolle) Konzept wurde selten auch von der Werkstatt Eibenschitz II praktiziert, z. B. bei der Bestellung von Jan Cruciger, für die Kralitzer Werkstatt scheint sie allerdings von prinzipieller Wichtigkeit gewesen zu sein. Im Unterschied zu allen Zentren, die ebenfalls für die Mitglieder und Sympathisanten der Brüderunität arbeiteten und unter denen die Werkzeuge häufig hin- und herwanderten, kam die Kralitzer Werkstatt offenbar ohne diese Verstärkungen aus und von hier aus wurde weder etwas nach Böhmen noch nach Eibenschitz (Ivančice) umdisponiert. Wir lokalisieren die Werkstatt daher rein hypothetisch nach Kralitz, weil durch archäologische Funde bestätigt worden ist, dass parallel mit der Druckerei der Brüderunität in dieser Lokalität auch eine Buchbinderei tätig war. Trotz der geringfügigen Anzahl der versammelten Exemplare datieren wir die Werkstatt anhand des Betriebes der Druckerei (1579-1619), wobei das älteste hier gebundene Buch, von dem wir bisher wissen, im Jahre 1580 erschien. Der Kralitzer Werkstatt schreiben wir neuerlich zwei Exemplare zu (Ach III 1 und M LXII), für die Nuska eine besondere Werkstatt mit der Benennung „Mandorlen“ konstruierte. Obwohl sich im Fundus von Nuskas Werkstatt eine ornamentale Platte in Form einer außerordentlichen Mandorla NUSK P 000 610 befand, stimmen andere Werkzeuge mit unserer Werkstatt Kralitz überein (NUSK K 000 546 und NUSK V 001 081). Das aus dieser Gruppe stammende Kralitzer Gesangbuch 1615 ist vorläufig das jüngste gedruckte Buch, das unserer Ansicht nach die Buchbinderproduktion aus Kralitz repräsentiert.
- S. 91 meint, die Buchbinder in Kralitz hätten billige Verlegereinbände produziert und seien in technischer Hinsicht mit wenig anspruchsvollen Werkzeugen ausgestattet gewesen.
- S. 187-189.
- s. 517