Wandernde Werkzeuge

 

 

Wandernde Werkzeuge

Die Werkzeuge für den Blinddruck (Stempel, Platten, Rollen) wurden nicht nur von Metallschlägern (Metallstechern) gekauft, sondern wurden auf Auktionen erworben oder auch vererbt. Sie stammten entweder aus Böhmen oder aus dem Ausland (Deutschland, Schlesien usw.). Eigene Besonderheiten wiesen die Supralibros von Privatpersonen und Städten auf, denn sie waren kein Teil des Werkstattfundus, sondern wurden von ihren Besitzern an einzelne Handwerker verliehen. Der Vergleich der Werkzeuge bestätigte nicht die Vermutung von Bohumil Nuska, dass es private, für den Adel arbeitende Buchbinder gegeben habe. Eine einzige Ausnahme stellt der Buchbinder des Petr Vok von Rosenberg dar.
Das Wandern der Werkzeuge erwies sich den in der NUSK-Datenbank angesammelten Daten zufolge als eines der wichtigsten Merkmale des Buchbinderhandwerks im 16. Jahrhundert. Es werden insgesamt 496 wandernde Werkzeuge verzeichnet, das sind 15 % der Gesamtzahl. Obwohl Supralibros in dieser Zahl enthalten sind, darf man sie aufgrund ihrer Eigentumsverhältnisse in der Gesamtübersicht nicht berücksichtigen. Abgesehen von den Supralibros wurde der Transfer zwischen zwei oder mehreren Werkstätten bei 476 Stücken festgestellt, d. h. bei 16 % des Gesamtvolumens der in der NUSK-Datenbank erfassten Werkzeuge.

Grafik 1 veranschaulicht den Prozentsatz der wandernden Werkzeuge.

Man kann mehrere Transferarten verfolgen. Zuerst sind Werkzeuge zu nennen, die ab dem zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts aus einem untergegangenen Zentrum in ein bereits bestehendes oder neu gegründetes Zentrum übertragen wurden. Ein typisches Beispiel ist die Übertragung des Fundus vom Meister der Böhmischen Rechte an die Werkstatt namens Pflanzengroteske und an den Monogrammisten MN. Wie aus der Grafik 2 hervorgeht, wurden 21 % von der Gesamtzahl der in dieser Werkstatt erfassten Werkzeuge in anderen Werkstätten verwendet, wobei 10 % nachher in mehr als einer Werkstatt und 11 % lediglich in einer einzigen Buchbinderwerkstatt verwendet wurden.

Die Grafik 3 stellt den Prozentsatz der Abwanderung einzelner Arten von Werkzeugen aus der Werkstatt des Meisters der Böhmischen Rechte dar.

Vergleicht man die wandernden Werkzeuge zu Beginn des 16. Jahrhunderts und ab dem letzten Drittel des 16. Jahrhunderts, wird offenbar, dass die interessante Praxis, alte Werkzeuge von anderen Werkstätten zu übernehmen, in jüngerer Zeit einen Wandel erfuhr. Die steigende Anzahl der Buchbinderwerkstätten unter der Herrschaft von Rudolf II. brachte einen größeren Anteil der in Massenproduktion hergestellten Werkzeuge. In Anbetracht dieser Tatsachen scheint der Transfer einzelner Werkzeuge zwischen den Werkstätten zu dieser Zeit von keiner besonderen Bedeutung mehr zu sein.

Grafik 4 zeigt den Anteil der wandernden Werkzeuge bei dem Buchbinder aus dem Umfeld des Rudolfinischen Hofes II. Während die Werkstatt des Meisters der Böhmischen Rechte als primärer Eigentümer der Werkzeuge fungierte, ist der Rudolfinische Buchbinder vielmehr als der endgültige Eigentümer zu bewerten.

Eine weitere Möglichkeit der Übertragung von Werkzeugen wurde zwischen Zentren realisiert, die von einer gemeinsamen konfessionellen und künstlerischen Ausrichtung profitierten und wo zeitweilig einige charakteristische Werkzeuge benutzt wurden. Ein typisches Beispiel ist die buchbinderische Tätigkeit in den Zentren der Brüder-Unität (Jungbunzlau/Mladá Boleslav und Eibenschitz/Ivančice).

Eine andere Art des Transfers ist mit Werkzeugen verbunden, die aus deutschen Regionen stammten. Außerhalb der normalen Verkaufswege konnte die Migration durch umherziehende deutsche Gesellen oder deutsche Meister erfolgen, die sich dauerhaft in Böhmen niederließen. Der spezifische Charakter dieser Werkzeuggruppen veranlasste, dass wir die alternative Bezeichnung Buchbinder mit deutschen Werkzeugen eingeführt haben. Diese Gruppe entspricht 24 % der Gesamtzahl der erfassten Werkstätten. Ein in den Jahren 2021 und 2022 durchgeführter Vergleich mit der elektronischen Datenbank EBDB hat ergeben, dass 6 % der in der NUSK-Datenbank erfassten Werkzeuge aus deutschen Gebieten stammen. Erst die Zukunft wird zeigen, inwieweit der tatsächliche Bestand an Werkzeugen deutscher Provenienz reicher war.