NUSK 33

WerkstattnummerNUSK 33
Werkstattname
  • Buchbinder aus dem Umfeld des Rudolfinischen Hofes II
Nuskas ursprünglicher WerkstattnameD B M, Dürerbuch-Meister, P B, Borbonius-Buchbinder, Troilo-Buchbinder, Adler
Wirkungsort der WerkstattTschechische RepublikBöhmenPrag / Praha
Alternativní lokace
Wirkungszeit der Werkstatt[(ca) 1587–1626]
Angaben zur Werkstatt

Nuska übernahm für diese Werkstatt die Bezeichnung von Ilse Schunke (1942) und nannte ihn DBM bzw. Dürerbuch-Meister. Die Exemplare, die Nuska der Werkstatt DBM zuordnete, weisen allerdings eine große Zeitvarianz von den 70er Jahren des 16. Jahrhunderts bis zum Jahre 1621 auf und dokumentieren vor allem die ungleichartigen künstlerischen Ansichten, die einerseits zur überladenen Rahmenkomposition und andererseits zur Bevorzugung der auf freier Fläche liegenden Dominante neigen. Darum teilen wir die Werkstatt DBM neu in zwei Zentren auf, über deren Beziehung während der Jahre 1587-1605 wir uns vorläufig nicht im Klaren sind. Das ältere Zentrum wird als Buchbinder mit deutschen Werkzeugen X bezeichnet. Von hieraus gingen nach dem Jahre 1605 fünfzehn Werkzeuge in das jüngere Zentrum über (andere Zugänge stammen vom Doppeladler-Meister). Das jüngere Zentrum erlangte die neue Bezeichnung Buchbinder des Rudolfinischen Hofes II. Wir wählen die neutralere Benennung, weil Nuskas Archiv nur die Reproduktion von Dürers Skizzenbuch enthält, die aus der Abhandlung von Schunke übernommen worden ist. In der Reproduktion lassen sich wohl die Werkzeuge des Rudolfinischen Buchbinders II erkennen (NUSK P 000 019, NUSK V 000 765 und NUSK V 000 943), das typische Muster „Semis“ finden wir allerdings an keinem anderen Exemplar vor, das Nuska erfasste. Otto Mazal (1989) versuchte, den Dürerbuch-Meister genannten Buchbinder mit Georg Göbbel zu identifizieren, von dem wir bis heute nur wissen, dass er aus Stettin stammte, im Jahre 1589 die Bürgerschaft an der Kleinseite erlangte und den Titel „Jeho Milosti císařské buchbinder“ („Buchbinder Ihrer kaiserlichen Durchlaucht“, Winter 1909) nutzte. Die EBDB kennt diesen Buchbinder nicht.

Wir legen in die Werkstatt des Rudolfinischen Buchbinders II neu die Exemplare um, die Nuska in seinem Archiv Handwerkern zuschrieb, die für zwei böhmische Aristokraten arbeiteten. Es handelt sich um Matyáš Borbonius (13 Exemplare, wobei weitere 16 von uns nach Jungbunzlau/Mladá Boleslav umgelegt werden) und František Bohumír Troilo (33 Exemplare). An all deren Exemplaren wird in der Datenbank die ursprüngliche Attribuierung Nuskas zwar erwähnt, nachdem jedoch die Identität mit den Werkzeugen des Rudolfinischen Buchbinders II nachgewiesen worden ist, ist es nicht mehr möglich, diese aufrechtzuerhalten (per analogiam lösen wir Nuskas konstruierte Werkstätten auf, die angeblich für Ryfmberk und Vartemberk gearbeitet haben sollen, deren Fundus mit den Jungbunzlauer Werkzeugen korreliert). Nuskas Voraussetzung, dass es auf der Karte des Buchbinderhandwerkes Werkstätten gab, die von böhmischen Aristokraten ausgehalten wurden (mit Ausnahme des Krumauer Ateliers des Petr Vok von Rosenberg), lehnte sich an das Auftreten des Supralibros, dieses während des 20. Jahrhunderts so oft überbewerteten Werkzeugs, und war deshalb von der Sicht des Charakters der böhmischen Buchbinderei her falsch. Das Schaffen des Rudolfinischen Buchbinders II ergänzen wir weiter um 4 Exemplare, die Nuska in der künstlich konstruierten Werkstatt „PB“ erfasste, weil deren Inhaber Troilo während der Jahre 1608-1623 die Aufträge eben hierher vergab. In die Werkstatt des Rudolfinischen Buchbinders II legen wir schließlich 26 Exemplare um, für die Nuska die selbstständige Werkstatt „Adler“ konstruierte (anhand der Flächenfüllung mit Kaiserwappen NUSK P 000 772). Das Konstrukt wird durch 24 Werkzeuge repräsentiert, die ausschließlich an den betroffenen Exemplaren vorkommen, wobei sie sich vom Fundus des Rudolfinischen Buchbinders II durch nichts unterscheiden. Das gleiche gilt für das Verzierungskonzept. Die überwiegende Mehrheit der Exemplare ist mit den Jahreszahlen 1597-1614 versehen, die einheitlich mit den beiden oben erwähnten Argumenten einzig dem Wirkungskreis des Rudolfinischen Buchbinders entsprechen. Auch Nuskas Werkstatt „Adler“ bewerten wir deshalb als künstliches Konstrukt, das auf der positivistischen Methodologie beruht, die es gestattete, die „hauptsächlichen“ und die dann daran anknüpfenden weiteren Werkzeuge subjektiv zu bestimmen, und zwar ohne erweiterte Kontextualisierung.

Vorerst können wir in etwa konstatieren, dass das Verzierungskonzept aller erfassten Exemplare, die dem Rudolfinischen Buchbinder II zugeschrieben werden, in der auf die freie Fläche gesetzten und von einer Rolle (z. B. von der schmalen modischen Kette NUSK V 000 978) umrahmten dominanten Platte beruht. Die ausschließlich ornamentalen Platten weisen die Form von Rollwerk-Kartuschen oder von flachen Ovalen auf (die heraldischen Supralibros gehörten nicht zum Werkstatt-Fundus, sondern befanden sich im Besitz der Kunden). Zu den flächenmäßig ornamentalen Ovalen kam neu der Typ „Pellegrino“ (NUSK P 000 645 und NUSK P 000 646) hinzu, zweifellos durch Heinrich Peisenberg inspiriert. Zu den Ecken des Spiegels wurden Blumenstempel (Fleurons) hinzugefügt, die etwa in 60 Varianten zur Verfügung standen. Die meisten davon (genauso wie die ornamentalen Ovale oder die Ovale mit Blumensträußen) erinnern stark an die Werkzeuge in Jungbunzlau und Eibenschitz (Ivančice) oder in der Werkstatt Böhmen III, z. B. NUSK K 000 693 unterscheidet sich von NUSK K 000 533 nur durch das Ausmaß. Dieses Verzierungskonzept ist an der Wende des 16. und 17. Jahrhunderts also nichts Einzigartiges mehr, sondert allerdings ganz zuverlässig den Buchbinder aus dem Umfeld des Rudolfinischen Kreises II vom vorherigen Buchbinder mit deutschen Werkzeugen X ab, der die Spiegel nur mit rechteckigen figuralen Platten bedeckte. Trotzdem stoßen wir in der Rudolfinischen Werkstatt doch auf sichtbaren Fortschritt. Es setzte sich innovative Verzierung der Rückenfelder durch (anstelle des langfristig angewandten spätgotischen Gitters erscheinen kleine Stempel, z. B. NUSK K 000 653, NUSK K 000 667, NUSK K 000 679, NUSK K 000 683). Die Ledereinschläge an den Innendeckeln wurden neu mit einer schmalen Vier-Millimeter-Rolle bedeckt (NUSK V 000 517, NUSK V 000 807). An den bibliophil gestalteten Lobkowitzer Einbänden verfolgen wir die moderne Auffassung des spätgotischen Bogenmusters (II Ea 3) und den Vorboten des barocken Bucheinbandes im „Fächermusterstil“ (II Aa 2). Unter Berücksichtigung des 26-köpfigen Kreises der inländischen Kunden, die sich mit Hilfe eines Supralibros präsentiert haben (Aristokraten und nobilitierte Bürger), sind wir eindeutig davon überzeugt, dass die Werkstatt in Prag gearbeitet haben muss, aber zur Lokalisierung an der Kleinseite fehlen jegliche Unterlagen. Wir vermissen ebenfalls die geringsten buchbinderischen Indizien, die sich auf den Kaiserhof beziehen würden (z. B. das Plattenporträt Rudolfs). Die Werkstatt durchliefen ab 1507 gedruckte Exemplare (es handelte sich um Remittenden und Neueinbindungen älterer Ausgaben). Die kontinuierliche Druckreihe beginnt mit dem Jahre 1582 und endet 1625, 1629 und 1633. Den nachweislichen Beginn der Werkstatt verbinden wir mit der Jahreszahl 1587. Sie wurde in den Vorderdeckel von Plácels Amtsbuch sowie in den ersten, zweiten und dritten Band des Gesangbuchs von Adam Hroch eingeprägt. Die jüngsten geprägten Jahreszahlen sind 1626 und 1630, als die Werkstatt nach einer Pause bereits unter anderen Eigentümern gearbeitet haben konnte.

Literaturverweise