NUSK 26
- Doppeladler-Meister
Nuska benannte die Werkstadt „Adler“ nach den Platten mit dem Kaiserwappen NUSK P 000 713, NUSK P 000 714 und NUSK P 000 765. Petr Voit brachte im Jahre 2020 die neue Bezeichnung Doppeladler-Meister in die Forschungsliteratur ein, die wir auch hier anwenden. Zu dessen wohl ältester Akquisition könnte die Platte mit der von der Jahreszahl 1570 begleiteten Kreuzigung Christi (NUSK P 000 342) gehören. Die Werkstatt stand am Übergang zwischen dem traditionellen Verzierungskonzept und dem manieristischen Bucheinband. Wir verfolgen häufiger in überladene Rahmen gezwängte Platten mit biblischen Figuren, während die Arabesken- oder Maureskendominanten (Ovale und Rollwerk-Kartuschen) in der Minderheit zu sein scheinen. Als Novum lassen sich vier Platten bewerten, die effektvoll und zugleich sparsam den gesamten Buchdeckel bedeckten. Auch diese gesamtflächigen Füllungen treten jedoch dem traditionellen narrativen Fundus gegenüber sporadisch auf. Eine gewisse Vorsicht ist auch bei der Verzierung der Rückenfelder zu spüren (II Da 31). Aus diesen Charakteristiken kann vorerst deduziert werden, dass der Doppeladler-Meister - im Unterschied zu seinem progressiveren Gefährten, dem Buchbinder aus dem Umfeld des Rudolfinischen Hofes II - mehrheitlich einen anderen Typ von Bucheinband schuf, und zwar wohl auch für einen anderen Kundenkreis (der unter Berücksichtigung der Medaillons der Reformatoren an der Wanderrolle NUSK V 000 137 auch aus Nichtkatholiken bestand). Das häufig vorkommende Supralibros des Lohelius sowie die Buchzeichen des Kaspar Questenberg oder Andreas Ebersbach bezeugen, dass der Doppeladler-Meister arbeitsmäßig Kontakt mit den Prämonstratensern von Strahov sowie aus Tepl (Teplá) aufrechterhielt. Zu seinen Kunden gehörten auch andere Protagonisten des Prager geistlichen Lebens (Šimon Brosius, Jiří Barthold Pontanus). Der katholisch orientierte Teil der Kundschaft wurde durch ikonografische Neuheiten zufriedengestellt, z. B. die vierfache Version des IHS-Emblems. Aus der Verknüpfung der meisten bekannten Kunden mit Prag (u. a. auch Zdeněk Vojtěch Popel von Lobkowitz) urteilen wir daher, dass sich die Werkstatt in der Metropole befunden haben muss. Der Doppeladler-Meister hat Inkunabeln und Frühdrucke neugebunden, eine zusammenhängende Reihe bilden jedoch erst die Drucke aus den Jahren 1567-1603. Die niedrigste in den Vorderdeckel geprägte Jahreszahl ist 1570 (Leipzig 1567). Nach 1603 verschwindet die Kontinuität in der Erfassung (vertreten sind nur die Jahre 1607, 1611, 1612, 1618, 1621, 1623 und 1628). Es ist interessant, dass mit dem Jahr 1603 auch das Supralibors von Jan Lohelius verschwand, das bis daher häufig angewandt wurde, es verlieren sich die Erzeugnisse der Prager Druckereien und im Gegenteil erst jetzt erscheinen in der Produktion die Bucheinbände von Amtsbüchern. Es ist wohl möglich, dass der Betrieb der Werkstatt bald nach 1603 von den Erben übernommen wurde. Hat doch das Stadtrechnungsbuch die Jahreszahl 1604 eingeprägt und die Befunde des Landesgerichts sind mit dem Jahr 1605 datiert. Die Nachfolgeretappe, die die Werkzeuge des Doppeladler-Meisters anwandte, arbeitete dann zumindest bis 1628. Der Bucheinband der Psalter-Handschrift von Crinitus trägt die Jahreszahl 1618, der Einband der Herrschaftlichen Briefentwürfe ist mit dem Jahr 1627 datiert. Die jüngste heute erfasste Ausgabe präsentiert der Östreichische Lorberkrantz (Frankfurt/M. 1628).