NUSK 55
- Leitomischl II
Obwohl nicht nur die ältere, sondern auch die jüngere Etappe der Leitomischler Buchbinderei keinerlei Verbindung zur Brüderunität bezeugt, reflektiert die Benennung der Werkstatt Leitomischl (Litomyšl) unverhohlen als einen der wenigen Orte in Böhmen, in dem während der Jahre 1506-1545 das Buchbinderhandwerk primär für diese nonkonforme religiöse Gruppe betrieben wurde, was eine lokale (städtische) Buchbinderei erforderte. Neben der allgemeinen Voraussetzung über den Zusammenhang von Buchdrucker- und Buchbinderhandwerk besitzen wir Kenntnisse über die Rolle NUSK V 000 030 mit dem Monogramm MC und der heraldischen Lilie, dem Wappen von Leitomischl. Auch dieses Wappen berechtigt die Verbindung der Rolle mit der Existenz einer Leitomischler Buchbinderei.
Das gleiche Monogramm MC begleitet die Platte des Einzugs Christi in Jerusalem NUSK P 000 333. Zur Platte meldet sich dem Stil nach das unsignierte Jüngste Gericht NUSK P 000 400. Wir erfassen allerdings alle drei Platten erst ab dem Jahre 1573 in der Werkstatt Jungbunzlau I, wohin sie im Rahmen der Tätigkeit der Brüderunität konnte verlagert werden (Vávra spricht vom Leitomischl-Bunzlauer „MC-Werkzeugsatz“ und Nuska bezeichnete mit den Initialen MC die ganze Bunzlauer Werkstatt I). Von der älteren Ära der Leitomischler oder Bunzlauer Buchbinderei zeugen auch die spätgotischen zoomorphen und vegetabilischen Stempel sowie die Engelsköpfchen, die während der 70er Jahre des 16. Jahrhunderts in Jungbunzlau (Mladá Boleslav) und Eibenschitz (Ivančice) aufleben. Die Initialen MC finden wir jedoch ebenfalls außerhalb des Wirkungskreises der Bürgerunität. In der Werkstatt Pflanzengroteske I wird NUSK V 000 491 erfasst und der Staunende Prophet besaß die Platten mit der Gerechtigkeit NUSK P 000 446 und Lucretia NUSK P 000 469. Diese Werkzeuge gelangten wiederum nie in die Lokalitäten der Brüderunität. Haebler nahm in Zusammenhang mit den beiden Tugenden an, dass das Monogramm MC dem Buchbinder Michael Crampitz gehören konnte, der Ende des 16. Jahrhunderts in Breslau (Wrocław) tätig war (wird von der EBDB nicht angeführt). Aus der späteren Erfassung geht jedoch hervor, dass der Monogrammist mindestens um eine Generation älter war und dass er als Schöpfer wirkte, an den sich verschiedene Buchbinder mit Werkzeugbestellungen wandten. Weisen doch auch andere, parallel an mehreren Orten in Böhmen und in Eibenschitz angewandte Werkzeuge einen ähnlichen Stil wie auf der unsignierten Platte des Jüngsten Gerichtes auf (NUSK P 000 310, NUSK P 000 348, NUSK P 000 367, NUSK P 000 422, NUSK P 000 434 oder NUSK P 000 775).
Die zweite Etappe der Leitomischler Buchbinderei ist bisher durch vier Amtsbücher belegt. Das älteste davon trägt die eingeprägte Jahreszahl 1561. Der Beginn der Tätigkeit der übrigen ist mit den Jahren 1563, 1566 und 1568 verbunden. Zur Verzierung des ältesten Amtsbuches wurden die Werkzeuge des Prager Monogrammisten MN (NUSK V 000 468 und wohl auch NUSK P 000 393) angewandt. Gleichzeitig trat hier die Rosette NUSK K 000 470 auf, die sich ebenfalls am Buch aus dem Jahre 1568 befindet. Die Verzierung der Amtsbücher aus den Jahren 1563 und 1566 wird durch die oben erwähnte Rolle NUSK V 000 030 mit dem Monogramm MC verbunden. Die Annahme, dass die Leitomischler Buchbinderei nach der Eröffnung der Buchbinderwerkstatt in Jungbunzlau 1573 erloschen sei, muss noch überprüft werden. Sicher ist, dass die Hälfte des Fundus aus Leitomischl zu den Jungbunzlauer Buchbindergruppen überging.
- S. 81-81.
- S. 104-107.
- S. 98.
- S. 187-197.
- s. 289, 404, 413, 498-500, 513.