NUSK 56

WerkstattnummerNUSK 56
Werkstattname
  • Jungbunzlau I
Nuskas ursprünglicher WerkstattnameM C, Böhmische Brüder, Borbonius-Buchbinder, Ryfmberk-Buchbinder, Vartemberk-Buchbinder
Wirkungsort der WerkstattTschechische RepublikBöhmenMittelböhmenJungbunzlau / Mladá Boleslav
Alternativní lokace
Wirkungszeit der Werkstatt[(ca) 1573–1615]
Angaben zur Werkstatt

Wie die thematisch verhältnismäßig verschiedenartige Produktion zeigt, stellte das Zentrum Jungbunzlau I kein institutionelles Zentrum der Brüderunität dar, sondern ein sehr leistungsfähiges städtisches Gewerbe, das Bucheinbände unter anderem auch für die Mitglieder oder Sympathisanten der Brüderunität besorgte. Dem emblematischen Signet NUSK K 000 232 nach trug einer der Buchbinder die Initialen RR. Vávra bezeichnete als Grundlage der Werkstatt den Leitomischl-Bunzlauer „MC-Werkzeugsatz“, der ab dem Jahre 1579 auch in die Eibenschitzer Werkstatt II (Einzug in Jerusalem NUSK P 000 333, Jüngstes Gericht NUSK P 000 400NUSK V 000 030) geliehen wurde. Vávra zufolge sollten (?) noch die Platten Verklärung des Herrn mit der Aufschrift HIC EST FILIVS und Wagen des Elias SVFFICIT MIHI in den „MC-Werkzeugsatz“ gehören. Nuska registriert jedoch die erste Platte mit der gleichen Aufschrift als NUSK P 000 378 nur in Zusammenhang mit der nicht zur Brüderunität gehörenden Werkstatt Heilige mit Baumkrone und die zweite Platte kennt er als NUSK P 000 303 und NUSK P 000 304, beide allerdings ohne Aufschriften. Die Migration der Werkzeuge war in Wirklichkeit reicher und komplizierter, weil mindestens vier Rollen aus Eibenschitz (Ivančice) nach und nach in Jungbunzlau (Mladá Boleslav) auftauchten. Eine noch auffälligere Zirkulation beobachten wir innerhalb von Jungbunzlau unter den kooperierenden Buchbindern, die wir der Übersichtlichkeit halber mit den römischen Zahlen II, III, IV und V bezeichnen. Tatsächlich handelte es sich allerdings um bloße  Gruppen von Buchbindern, die zeitweilig die gemeinsame konfessionelle und künstlerische Ansicht ausnutzten und für eine gewisse Zeit die charakteristischen Werkzeuge anwandten.

Etwa 10 % der erfassten Bucheinbände der Gruppe I waren mit den Amtsbüchern des Jungbunzlauer Umkreises verbunden. Bedeutende Persönlichkeiten dieser Region erhielten Beziehungen zur Werkstatt aufrecht, z. B. Matyáš Borbonius von Borbenheim, Karel Krajíř von Krajek oder Jan Labounský von Labouň. Daher nutzte das hauptsächliche bildkünstlerische Konzept das auf freier Fläche liegende Supralibros. Die Jungbunzlauer Gruppe I ist nachweislich mittels der während 1573 und 1615 kontinuierlich in die Einbände geprägten Jahreszahlen belegt. Die ältesten Amtsbücher dienten ab den Jahren 1574 und 1575. Das jüngste Impressum der Drucke trägt die Jahreszahl 1613.

Nuska ordnete zwei Matyáš Borbonius gehörende Exemplare (II Aa 4 und V Aa 45) in die Jungbunzlauer Gruppe I ein. Diese Anzahl wird von uns neu um die Exemplare erhöht, die Nuska in seinem Archiv einem unbekannten Handwerker zugeschrieb, der angeblich für Borbonius als privater Buchbinder gearbeitet hätte (16 Exemplare, wobei wir weitere 13 zum Prager Buchbinder aus dem Umfeld des Rudolfinischen Hofes II umordnen). Dessen ungeachtet sind Borbonius’ Aufträge unübersehbar auch mit weiteren zwei Buchbindern verbunden, die Nuska unter der Bezeichnung „Ryfmberk-Buchbinder“ und „Vartemberk-Buchbinder“ konstruierte. Die erste Gruppe aus der Zeit ca. 1594-1597 bilden 19 Exemplare (Ryfmberk gehören 2 Exemplare und Borbonius 14). Die zweite ca. 1594-1598 entstandene Gruppe enthält 11 Exemplare (Vartemberk und Borbonius gehören je 5 Exemplare). In der Datenbank wird bei allen Exemplaren die ursprüngliche Attribution Nuskas zwar erwähnt, nachdem jedoch die Korrelation mit den Jungbunzlauer Werkzeugen nachgewiesen worden ist, ist es nicht möglich, sie aufrechtzuerhalten (per analogiam heben wir die von Nuska konstruierten Werkstätten auf, die angeblich für Troilo oder die Gebrüder Zárybnický arbeiteten). Nuskas Voraussetzung, dass es auf der Karte des böhmischen Buchbinderhandwerks Werkstätten gegeben habe, die von böhmischen Aristokraten ausgehalten worden wären (mit Ausnahme des Krumauer Ateliers des Peter Vok von Rosenberg), lehnte sich an das Auftreten des Supralibros, des während des 20. Jahrhunderts so oft überbewerteten Werkzeugs, und ist daher von der Sicht des Charakters der böhmischen Buchbinderei unrichtig.

Literaturverweise
  • S. 97 legt den Anfang der Buchbinderwerkstatt in Jungbuzlau in die Jahre 1575-1577.
  • S. 96 und 98 bezeichnet die Platten mit Verklärung des Herrn und Wagen des Elias als Werkzeuge, die zwischen Jungbunzlau und Eibenschitz wanderten.
  • S. 187-189.